Wedel, Villa – 09.09.2022
Wieder mal frage ich mich, wie es sein kann, dass ich einen derart tollen Ort wie die Villa vorher noch nie besucht habe. Hier waren schon richtig viele gute Konzerte und so weit ist Wedel ja nicht weg. Aber manchmal ist es so und es braucht eine Konzertanfrage. Auch verrückt: Zu allen Bands haben wir Kontakte und kennen einige der Mitglieder zum Teil seit Jahrzehnten, aber gespielt haben wir bisher ausschließlich mit KOLLMARLIBRE, nicht aber mit JAMES FIRST und OUT OF STEP.
Die Villa, das wird bereits bei einer kurzen Begegnung klar, ist für die Region von immenser Bedeutung. Hier finden nämlich nicht „nur“ Konzerte statt, es wird auch Leuten Hilfe für Behördenschreiben geboten, es gibt einen Frauentag, Proberäume und verschiedene Projekte von Berufsberatung bis hin zu Kochkursen. Villa muss bleiben, den Spruch sieht man hier überall. Das impliziert, dass es Kräfte gibt, welche die Villa offenbar lieber geschlossen sähen. Ist echt überall dasselbe. Fight ‘em!
Lange nicht gesehen haben wir bis vor kurzem Klebo (Ex-ABGELEHNT, PHLEGMATIX, nun JAMES FIRST), aber letzte Woche tauchte er auf dem VittFest auf. Da gab es schon ‘nen herrlichen Schnack, der heute intensiviert wird. Auch Paddy von OUT OF STEP ist ein alter Bekannter, spielte der Hund doch früher bei VINDICATOR (unvergessen diese Band zusammen mit BONEHOUSE in der Mission). Betreut werden wir heute von Vivien, die alles super organisiert hat.
KOLLMARLIBRE beginnen. Seit unserem gemeinsamen letzten Konzert (Punkerhaus Elmshorn) hat sich die Band amtlich weiterentwickelt. Zum Skapunk ist mittlerweile Postpunk gekommen. Trotzdem gibt es alte und neue Songs, was verrückterweise irgendwie funktioniert. Der Sänger verbittet sich als Reaktion, dass die Leute mit Klatschen applaudieren. Man möge doch eher Grunzlaute oder so von sich geben, denn Klatschen passe nicht auf ein Punkkonzert. Herrliche Ansage, die eine gute Steilvorlage für Zwischenrufer darstellt.
Yeah, heute mal als zweite Band und nicht nachts um 04:00 Uhr, das mag ich allein schon, weil man erst schön einen in den Saal koffern kann und danach mit einer ganz anderen Euphorie die weiteren Bands anguckt, als wenn man den eignen Auftritt noch vor sich hat. Wir spielen deutlich kürzer als letztes Wochenende, da bei vier Bands ein gewisser zeitlicher Rahmen eingehalten werden sollte. Vom Konzertraum führt eine Wendeltreppe nach unten ins Freie. Wir empfehlen allen, einmal auf die Plattform zu gehen und mal wie ein König zum Volk zu sprechen. Einfach mal blühende Landschaften versprechen, herrliche Zeiten und alles. Das befreit. Außerdem gestehen wir, noch nie in Wedel gewesen zu sein. Ein Skandal. Zarc ergänzt, dass er in der Grundschule anhand einer Karte immerhin gelernt habe, wo Wedel liegt. Was der noch so alles weiß! Ich weiß aus dieser Zeit nicht mal mehr, wie meine Lehrer:innen hießen. Klar ist hingegen: Wir haben nur dieses eine Jetzt. Werden im Winter vielleicht wieder Einschränkungen verhängt? Man weiß es nicht, also sollte man den Moment genießen!
Das tun auch JAMES FIRST. Habe ich übrigens schon den Namen gelobt? Knaller! Ich kannte bisher nur das Debut der Lübecker und selbst das war lange in meiner Sammlung verschollen (kam als Rezensionsexemplar und landete im falschen Stapel). Beim Ersthör war ich sofort begeistert, live knallt die Mucke aber noch mehr. Schön schnell, geil knackig und mit räudig-melodiösem Gesang. Klebo geht ab wie’n Zäpfchen, springt herum, tritt Löcher in die Luft und erweist sich als gekonnter Bühnenrhetoriker, der auch inhaltlich Relevantes zu sagen hat. Bei einer Ansage macht er sogar einen anderen Sänger nach. Ich verstehe den Namen nicht, scheint ein geiler Typ zu sein. Anyway, JAMES FIRST gefallen mir außerordentlich gut. Ich schreite nach dem Gig zur Komplettierungsernte.
Ähnlich ist es mit OUT OF STEP, die angenehm oldschooligen Hardcore/Punk zocken. Im Mob geht u.a. der IN IRATUS-Sänger ab, der gleich seine ganze Familie mitgebracht hat. OUT OF STEP-Schreigräte Paddy hat eine Stimme, die perfekt zu diesem Stil passt. Total angepisst, aber mit einem Quäntchen Melodie. Und es gibt immer positive Botschaften, super. Aufgrund einer Verletzung ist Paddy etwas in seinem Aktionsradius eingeschränkt, dafür bewegen sich die Leute vor der Bühne mehr. Vor einem Stück gibt’s sogar ein gemeinsames Hinhocken – bis zum Break, zu dem alle aufspringen und losmoschen. Großer Spaß! Auch hier müssen zwei Platten ran.
Villa, Vivien, alle – wir kommen wieder! Wenn IHR es wollt.