Kiel, Pumpe – 03.07.2019
Wenn man 13 Jahre Bandexistenz auffem Buckel hat, ergeben sich ab und zu Gelegenheiten, zu denen man mit Bands zockt, die man selbst seit Jahrzehnten hört. Manchmal haben wir uns selbst frech beworben, weil wir den jeweiligen Veranstalter/Booker kannten (FLOTSAM & JETSAM im Bambi, SLIME im Treibsand & Speicher, GWAR – ebenfalls Treibsand), bei anderen Gelegenheiten fragten die Verantwortlichen uns (SACRED REICH und PRONG, jeweils Markthalle, TANKARD im JUZ Verden). Dieses Mal war es etwas anders: Marc „Mosh“ Neubauer (PRAXIS DR. MOSH) fragte bei Facebook, wen die Leute gern als lokalen Support von CANNIBAL CORPSE sehen wollten. Unser Name wurde offenbar mehrfach genannt und somit Katrin von „Mittendrin Veranstaltungen“ vorgeschlagen, die sofort Bock drauf hatte. Vlad by popular demand.
Von Anfang an haben wir heute ein gutes Gefühl, der Aufbau läuft reibungslos, die ganzen Rahmenbedingungen sind super, uns wird ein ausführlicher Soundcheck ermöglicht, das Bier steht kalt und die CANNIBAL-CORPSE-Jungs erweisen sich als grundentspannte Typen. Für Pat O’Brien ist seit einiger Zeit Erik Rutan an der Gitarre, den ich 2005 mal anlässlich der Veröffentlichung des HATE-ETERNAL-Albums „I, Monarch“ fürs UNBROKEN METAL MAG interviewt hatte. Darüber sabbeln Erik und ich kurz und ich erkenne seine Stimme tatsächlich wieder (war ein Phoner-Interview). Demnächst sind HATE ETERNAL übrigens auf Tour.
„Mittendrin“ haben an alles gedacht und zum Catering eine Holzkiste Kieler Sprotten gestellt. Die Amis finden das allerdings offenbar etwas seltsam und lassen den Fisch unangetastet. Ich hingegen steh als Pescetarier voll auf die Biester und pfeif mir gleich ein paar rein. Das findet wiederum Martina seltsam, die mich später irritiert darauf hinweist: „Du stinkst nach Fisch!“ – „Jaa, es gibt oben ja auch lecker Sprotten!“
Herrlich, die Pumpe ist bereits amtlich voll, als wir auf die Bühne schlurfen. Vor ca. 700 Nasen spielt man nicht alle Tage, trotzdem verspüre ich eher das Gefühl elektrisierenden Bocks als Lampenfieber. Während im vorderen Drittel viele bekannte Gesichter zu erspähen sind, die gleich mitgehen, wartet der Rest zunächst ab, was sich hinter dem Namen VLADIMIR HARKONNEN wohl verbergen möge. Der Bühnensound ist super, und da Eric mit seinem Set direkt auf dem hölzernen Boden steht, spüre ich jeden Kickdrumhit im ganzen Körper, geil. „13 Minutes“, „Reign In Vlad“, „Anomie“, „Death For Profit“, „In The Good Old Days… It Used To Be Worse“ und „Stagnation Is Death“ flutschen gut. Vor “Tangle Foot” widmen wir uns dem Thema Christa Jenal: Die Lehrerin und Politikerin ist immer noch aktiv und hat allen Oberbürgermeistern der Städte geschrieben, in denen CC auf dieser Deutschlandtour spielen. Unter anderem benutzt sie die Vorfälle um Pat O’Brien dafür, um zu belegen, was für moralisch verkommene Subjekte in dieser Band spielen würden. Das finde ich besonders fragwürdig angesichts der Tatsache, dass die Hintergründe bis jetzt noch nicht geklärt sind und die Band selbst völlig überrascht und schockiert war. Wir wünschen Frau Jenal „lebenslang schales Bier“ und diesem Wunsch schließen sich offenbar viele Besucher*innen an. Wir sind von den positiven Reaktionen selbst überrascht. Gerade in der zweiten Sethälfte – „Tangle Foot“, „Flatties“, „Ticking Bomb Sceanario“, “Irukanji”, “Schweineherbst”, “Perfect Storm” und “Roadkill BBQ” – ist vermehrt Bewegung zu beobachten und der “O-ho-ho”-Chorus von “Irukanji” wird vom Mob noch nach dem Ende des Songs weitergesungen. Viel zu schnell ist alles vorbei – obwohl wir immerhin 45 Minuten zur Verfügung hatten, was ja auch nicht selbstverständlich ist.
Danach gönnen wir uns natürlich bei bester Laune die CANNIBAL-CORPSE-Show, die völlig beeindruckend verläuft. Aufgrund der erwähnten Briefe Christa Jenals gibt es Ordnungsauflagen von Seiten des Jugendamtes, derer zufolge die indizierten Songs durch Ordnungsverfügungen unter Androhung von Zwangsgeldern nicht gespielt werden dürfen, zumindest nicht mit Gesang. Daher wählen CC die Lösung, zwei oder drei Stücke ohne den Corpsegrinder, also rein instrumental, zu zocken. Teile des Publikums singen die Texte mit. Technisch wie immer sehr hochklassig (Alex Webster ist ein TIER am Bass) ballern sich CC durch die Setliste, die Killer wie „Red Before Black“, „Staring Through The Eyes Of The Dead“, „The Wretched Spawn“, „Unleashing The Bloodthirsty“ und „Hammer Smashed Face“ enthält. Die Leute drehen gut am Rad, es ist noch voller und heißer geworden, was die Leute nicht von Circle Pits und ‘ner Wall Of Death abhält. Manche bemängeln, dass es keine Zugaben gegeben habe, aber ich finde nicht, dass so etwas zwingend Standard sein muss. Auf keinen Fall ist es schlicht als Zeichen mangelnden Enthusiasmus‘ zu werten, aus meiner Sicht scheinen alle CC-Mitglieder mit dem Abend sehr zufrieden gewesen zu sein. (Die Setlist war auf anderen Auftritten der Tour zudem identisch.)
Insgesamt ein grandioser Abend, der im Grunde für alle Beteiligten perfekt und harmonisch verlaufen ist. Danke an Katrin von MITTENDRIN und alle Beteiligten sowie alle Besucher*innen!