Berlin, Blackland – 21.09.2019
Es hätte so stressfrei sein können: ausschlafen, mittags entspannt nach Berlin eiern und die Busfahrt genießen. Stattdessen stehe ich nach vier Stunden Schlaf auf und humpele mit meinem mittlerweile amtlich geschwollenen Klumpfuß zum Ärztehaus am Blücherplatz. Dort teilt man mir mit, dass dieses Trauma unbedingt geröntgt werden müsse, da man aus der Außenbetrachtung nicht sagen könne, ob und wie stark der Knochen beschädigt ist. Zum Glück ist Martina da und so können wir relativ unkompliziert zum Lubinus-Krankenhaus fahren. Dort habe ich Glück und muss lediglich eine Stunde warten (keine Ironie! Die Notaufnahme kann gerade am Wochenende die Hölle sein, was ich am Sonntag auch erneut erfahren soll – da wird es nämlich über DREI Stunden dauern). Nun, der Befund lässt sich unter „gut, aber kacke“ oder „Schwein im Unglück“ oder wie das heißt zusammenfassen: Es handele sich um eine „Ruptur“ des Bandes, vom Knochen sei nur ein Stück abgerissen worden. Allerdings untertreibt der behandelnde Arzt, als er mir schildert, was ich nun zu tun habe bzw. welche Konsequenzen die Verletzung habe. Ich könne am Montag wieder arbeiten, benötige lediglich eine Orthese zum Schutz. Das ist natürlich genau das, was ich hören will, denn wer arbeiten kann, kann auch rocken (hat schon meine Oma immer gesagt, glaub ich). Nur stimmt das letztlich nicht ganz oder vielleicht bin ich auch zu unwissend in solchen Dingen und es wäre selbstverständlich gewesen: Der Fuß hätte eigentlich konsequent hochgelagert und gekühlt werden müssen, da die Muskeln weiter anschwellen. Erst am Sonntag erfahre ich dann, als ich nämlich mit einem absoluten Monsterfuß zurückkehre, dass ich kurz vor einer OP stehe, bei der mir das Bein hätte geöffnet werden müssen. In ganz ungünstigen Verläufen werde ein Bein bei ähnlichen Fällen auch mal abgenommen. Zur Arbeit? Das könne ich erst mal vergessen! Ja, äh, Schluck, gut, dass Berlin wenigstens so derart geil war!
Denn das wird es! Noch kurz eine Orthese gekauft und gerade noch pünktlich ins Streckermobil gehüpft. Ereignislose Fahrt, recht pünktliche Ankunft und großes Hallo beim Zusammentreffen (nur eine Band fehlt, überraschenderweise sind es EXTINCT). Ja, das Blackland wurde natürlich im Vorfeld thematisiert. Als ich hörte, dass der Berlin-Auftritt dort stattfinden solle, hatte ich recherchiert und bin auf kritische Artikel über Veranstaltungen mit fragwürdigen, rechtsoffenen Bands gestoßen. Sowohl Pierre als auch diverse Berliner*innen, die ich deswegen kontaktiere, berichten allerdings, dass die Blackland-Betreiber mitnichten in derartigen Kreisen verkehren und seit Jahren daran arbeiten, diesen Ruf loszuwerden, der auf anfänglicher Unwissenheit über den Background bestimmter Black-Metal-Bands basierte, man habe sich Hilfe/Beratung von Berliner Antifaschist*innen dafür geholt. Es gibt auch Leute, für die das Blackland weiterhin ein No-Go-Club darstelle. Wir entscheiden uns bandintern dafür, uns das vor Ort anzugucken. Und es fällt uns nichts Negatives auf. Ich bin jetzt kein NSBM-Experte, aber es hängen eigentlich nur Plakate in dem Laden, die ich mir auch aufhängen würde. Auch scheint der Schuppen kein komisches Publikum zu ziehen, im Gegenteil, wir treffen gleich auf alte Berliner Bekannte wie Pete Lelgemann, Blase oder Ducky. Der Schuppen ist darüber hinaus einfach saugemütlich und vollgestellt mit Heavy-Metal-Deko, z.B. Uruk-Hai-Figuren in „Lebensgröße“, Totenköppen, alten Flyern/Postern etc. Ein Flair wie die Palenke in Kiel, nur halt in der Metalversion. Richtig cool auch: Es kommen mit Anna-Maria und Solveigh auch zwei Schülerinnen meiner ehemaligen Schule, erstere ist gerade nach Berlin gezogen und will Tätowiererin werden.
Yeah, der Mob ist von Anfang an super drauf und der Sound richtig fett, als EXIT SMASHED loslegen. Ganz klar der bisher beste Auftritt, den ich von Rotten Rolf und der Bande gesehen habe. Die fiesen Riffs wieseln durch die PA und Rolf kann heute für sich beanspruchen, der bewegungsaktivste Sänger des Abends zu sein. Let’s drink some beer!
Ich hätte es vorher nicht gedacht, dass mir ein Auftritt derart viel Spaß machen kann, wenn ich so eingeschränkt bin. Aber die Krücke eignet sich hervorragend zum Herumfuchteln und lässt sich in vielerlei Funktion einsetzen: Man kann darauf „Gitarre“ spielen wie Chuck Billy auf seinem Spezialmikroständer, sie wie ein Maschinengewehr auf imaginäre Faschos richten oder einfach den Leuten in der ersten Reihe auf den Kopf hauen. Ab und zu sitze ich einfach grölend auf dem Barhocker, ab und zu springe (naja) ich auf und wedele mit der Krücke hin und her, die Orthese gibt genügend Halt. Noch geiler: Die Fünfer-Besetzung klingt eingespielt, als wenn sie seit Jahren zusammen zocke – dabei ist es erst der zweite gemeinsame Gig! Nico macht das super, man hört die Zwei-Gitarren-Schweinereien heraus, die jetzt wieder möglich sind. Die Berliner*innen gehen den ganzen Abend über geil mit! Kein Halbkreis um die Bühne, sondern Frontrowbanger, Fistbanging, Mitgeshoute und Jubel nach jedem Stück. Also, ich bin begeistert.
Auch FATAL EMBRACE legen einen drauf und räumen beim Heimspiel massiv ab. „FATAL EMBRACE wird es geben, solange ich am verfickten Leben bin!“, versichert uns der Heiländer. Heute ist Release-Show der neuen Platte, die erst ein paar Wochen später auch auf Vinyl kommt und wieder super geworden ist. Ich rate dazu, das Ding abzuernten, wenn man Old School Thrash Metal mag, kann man damit gar nichts falsch machen. Andi hat offenbar beschlossen, die Alkoholvorräte des Blackland leerzutrinken, wobei er mir bei jedem Tresengang einen Humpen mitbringt. Das ist zwar fürsorglich, seine Frequenz ist jedoch mittlerweile so hoch, dass ich jedes zweite Bier heimlich in die Topfpflanze schütte.
Auch später im Hotel wird es schwer, Andi zu bremsen, der im Aufzug zu pogen beginnt, alle Etagenknöpfe drückt, den Alarmknopf sowieso und am nächsten Morgen zur Strafe in einen Mülleimer kotzt. Herrliches Ding, die nächste Berlin-Sause kommt bestimmt (dann wahrscheinlich in der KvU)!
Fotos von: Thomas Dargel.