Schwerin, Komplex – 02.10.2018 

Ich sage es gleich – ich bin lediglich das Medium!
Und aus mir spricht …äh… Dionysus. So hieß doch dieser Gott des Biers, oder? Zumindest stoße ich gelegentlich mal auf. Vor allem wenn ich Bier trinke. Das kommt auf Tour ab und zu mal vor. Und wenn die ollen Griechen sich in Delphi haben hart einen orakeln lassen, so hören meine Mitvladis aus meinen Eruktationen …Wörter! Oder besser Namen. Auf dieser Fahrt erreichen wir allerdings ein ganz neues Level: Es entsteht die Figurenkonstellation für einen amtlichen Fantasy-Roman! Naja, vielleicht nicht für einen „Herr der Ringe“. Aber das erste Kapitel vom „Hobbit“ könnte man schon bevölkern mit folgenden Wesen (Andi verleiht den von ihm verstandenen Namen zum Teil gleich Charakterzüge):
 

Dolp – Bergtroll, mag Schmetterlinge 

Stoke – Krieger, menschlicher Dieb 

Ztl-Unkh – Ork 

Ghordo – finsterer Zauberer 

Sir Göttingen – strahlender Ritter 

Zuul – fliegende, honigsammelnde Fisch-Fee 

Buul, Ehllup, Ugidor, Wäoeble, Bulgurrh, Ögaah, Deedl – alle noch ohne Charakter, aber schon mal ins (fiktive) Leben gerülpst. 

 

Irgendwann sind wir aber in Schwerin und verwerfen die sich bereits abzeichnende Handlung, schließlich hat die Realität des Ausladens uns schnell eingeholt. Wir treffen auf nette Menschen, zum Teil alte Bekannte wie den JESUS KOMMT AUS BÜTZOW-Sänger, der ein MOORLOCH-Shirt trägt, und natürlich die Kollegen von KRATZER und SARKAST. Verrückterweise war ich nach einem unserer früheren Schwerin-Auftritte schon mal im Komplex, habe den Schuppen aber vollständig anders in Erinnerung. Woran das wohl liegt? Genial jedenfalls der Hintergrund, dass dieses mehrgeschossige Haus Veranstaltungsort und Wohnprojekt in einem ist (von der Komplex-Homepage: „Das Komplex ist alles andere als „nur“ ein Club. Es ist ein alternatives Hausprojekt, das komplett von Freiwilligen getragen und genutzt wird. Unser Ziel ist es, in Schwerin ein alternatives/linkes Kulturprogramm anzubieten.“). Sowas müsste es viel häufiger geben und ist hier aus mehreren günstigen Umständen heraus entstanden, zum Beispiel standen die (ursprünglichen) Besitzer dem ganzen Projekt positiv gegenüber. 


Soundcheck, Futtern (lecker) und Gespräche lassen die Zeit wie im Fluge vergehen, sodass es fast schon irritierend wirkt, als KRATZER loslegen. Die Hamburger überzeugen mal wieder mit ihrem eisenharten D-Beat/Crust. Besonders geil finde ich das Drumming, welches wirklich unbarmherzig ausfällt. Henning spielt wie ein Uhrwerk (allerdings geht keine Uhr derart schnell…), dabei mit Wucht und fieser Tightness. Wenn du denkst, dass dir gleich der Schädel platzt, dann zockt er noch ein rabiates Fill. Heftig aber auch Marcos Gekeife, welches Stücke wie „Error“ oder „Tunnelblick“ die angemessene Angewidertheit verleiht. 


Immer wieder großartig: SARKAST! Hier gibt es mehr Metaleinflüsse, diese aber sehr roh und ruppig eingebracht und mit Crust, D-Beat und Hardcore/Punk vermengt werden. Man versteht natürlich so während des Zockens nicht viel, aber ich studiere noch an diesem Abend die Texte der neuen LP „De-Generation“ und entdecke viele interessante Aussagen! Zum Beispiel „Plastination“: „Nachbildung von Leben und Zivilisation / aus toten Geweben in der Isolation / Plasti-Nation / Verformtes Wesen in der Verpackungswelt / Optimiert und konserviert, bis es auseinander fällt / Plasti-Nation / Ein Verhaltens-Regelwerk gebrüllt vom Abfallberg / Ästhetik konstruiert, Gefühle manipuliert / Streben nach polymer-geformter Schein-Vielfalt / Sterben in einem Meer aus Nicht-Nachhaltigkeit.“ Das peitscht rein! 


Ein schönes Paket ist das mit SARKAST und KRATZER. Musikalisch durchaus unterschiedliche Bands, die aber viele Inhalte und Ansichten teilen. Diverse Bekannte aus verschiedenen Städten tummeln sich im Mob. Auch schön: die Katzenvideos, die per Beamer an die Wand geworfen werden, natürlich auch während der Konzerte! Das motiviert. Zu Bodenrollern, neuen Songs, spackigem Tanzen und sich selbst das Mikro vorn Kopp hauen. Unser bisher schönstes Konzert in Schwerin? Auf jeden Fall herrlich. 


Auch alle anderen Umstände vom Essen über die After-Dingens-Party bis hin zu den Schlafplätzen können unter „herrlich“ zusammengefasst werden – bis auf den Abfukker am nächsten Morgen: Reifen platt! Das Streckermobil besitzt zwar einen Ersatzreifen, dieser ist jedoch nur nach einer stundenlangen D.I.Y.-Schraubung aus seiner Verankerung zu befreien, da sich irgendwie wat verklemmt hat oder so. Zwischendurch sind wir schon nah daran, einfach den alten Reifen – mittlerweile neu aufgepumpt – dranzumachen, aber mittels etwas brachialerer Eingriffe und dem Einsatz der halben Komplex-Werkstatt gelingt es schließlich, das Ersatzbiest zu lösen. Rock on!